Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung –
Dietrich Grabbe (1801 – 1836)

Die Anekdote als Biographie: Grabbe sitzt in einem Café, etwas abseits, und muss die selbstherrliche Kritik eines Lehrers an den Schauspielern einer Shakespeare-Aufführung mitanhören. Wie der eingebildete Schöngeist dann noch zu einer allgemeingültigen Kulturkritik anhebt, wird es Grabbe zu bunt, und er «kauft» sich den Einfaltspinsel und kanzelt ihn ab. Diese Szene ist bezeichnend für Grabbe: Seine Herkunft aus dem mittleren, aber ungeistigen Bürgertum – sein Vater war Gefängnisdirektor – führte zu einem gespannten Verhältnis zu den gebildeten, tonangebenden Bürgern. Schon früh entlud sich bei Grabbe die Erbitterung über die starre Hierarchie in scheinbar exzentrischen Handlungen, deren einziger Sinn in der Provokation lag. Grabbe studierte Jura, wurde als Militärgerichtsoffizier staatlich angestellt, doch er blieb ein Aussenseiter. Mit Spott begegnete er der Gesellschaft der Angepassten, Unterwürfigen und verlogenen Idealisten. Grabbe antwortete auf die verhasste Gesellschaft und seine verhasste Tätigkeit mit einem parodistischen Lebensplan. Mit seinen Orgien und Zügellosigkeiten, mit seinem Alkoholismus kämpfte er gegen die bürgerliche Erstarrung, sein Leben ist Biographie einer Rolle, der Rolle eines Hofnarren in der Bürgerswelt. Natürlich musste er scheitern, denn die Reaktion ist allemal zählebiger als der Fortschritt. Eine Existenz, die sich so konsequent gegen die Gesellschaft stellte, musste früher oder später diese selbstgewählte kritische Distanzierung als Mangel an Geborgenheit erleben. So blieb nur der Versuch eines Rückzugs ins Private. Aber es war ein vergeblicher Kampf.

Die Gesellschaft schien keinen Trost, keine Zuflucht für ihn bereitzuhalten. Er musste für sein als Satire gelebtes Dasein mit dem Preise des Ungeliebtseins bezahlen. Nach langem Liebeswerben um die zehn Jahre ältere Luise, die ganz und gar dem Bürgertum angehörte, kam es schliesslich 1833 doch noch zur Eheschliessung. Doch die Ehe entwickelte sich bald einmal zu einem traurigen Desaster. Für den unverstandenen Bürgerkritiker und den ungeliebten Ehemann zeichnete sich je länger je mehr der Weg in die Katastrophe ab: Er wurde depressiv und seine Kunst kam fast vollständig zum Erliegen. Seine Frau und er trennten sich, und am 12. September 1836 starb Grabbe in Gegenwart seiner Mutter, der einzigen Frau, bei der er so etwas wie Geborgenheit gefunden hatte. Karl Gutzkow schrieb zwei Jahre nach Grabbes Tod: «Grabbe ging an seiner Stellung unter, an der Unfähigkeit, seinen Dichtergeist mit dem bürgerlichen Leben auszugleichen.»

Wichtige Werke von Grabbe: Herzog Theodor von Gothland; Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung; Don Juan und Faust; Napoleon oder die hundert Tage; Hannibal, Die Hermannsschlacht